Ein Fisch für den Fleischwolf

Der Karpfen hat ein Imageproblem – dabei ist er einer der wenigen Fische, die man noch ohne schlechtes Gewissen essen kann.

Es war eine niederschmetternde Nachricht für alle gewissenhaften Genießer: Um den Bestand zu bewahren, soll laut jüngstem Greenpeace-Report am besten gar kein Fisch mehr auf unseren Tellern landen. Eine Ausnahme machen die Umweltschützer allerdings: Karpfen. Er lebe ökologisch-artgerecht und in ausreichender Anzahl. Schön – aber irgendwie auch blöd. Denn essen will ihn offenbar kaum noch jemand.

Der Karpfen hat ein Imageproblem. „Und zwar ein großes“, bestätigt Laurin Kux, Küchenchef im Hamburger Restaurant „Jellyfish“. Auf die Speisekarte des angesagten Lokals wird es der Fisch zumindest nicht schaffen – obwohl das Restaurant beim Einkauf auf Nachhaltigkeit setzt. Viele Gäste fürchteten seinen vermeintlich modrigen Geschmack, und dann seien da auch noch die vielen fiesen Y-Gräten, sagt der Koch. Sein Küchentipp fällt daher rabiat aus: „Wenn schon Karpfen, dann dreht man ihn am besten durch den Fleischwolf.“

Selten auf der Speisekarte

Unter Kollegen ist Kux mit dieser Einschätzung nicht allein. Auch auf anderen Speisekarten von Fischrestaurants ist der Karpfen eher selten zu finden. In der Verbrauchergunst ist er ebenfalls abgeschlagen, wie Zahlen des Hamburger Fischinformationszentrums belegen. Der Marktanteil des Karpfens lag in Deutschland zuletzt bei 0,6 Prozent – Rang 15, weit hinter den beliebtesten Speisefischen Lachs und Alaska-Seelachs.

Dabei gilt der Karpfen, der ursprünglich von den Römern nach Mitteleuropa gebracht wurde, in vielen Regionen nach wie vor als Festtagsklassiker. In Franken landet er im schwimmenden Fett gebacken als Weihnachtsessen auf dem Tisch. In der Lausitz und in Schleswig-Holstein wird er zum Jahreswechsel als Karpfen blau gekocht kredenzt. Bei unseren osteuropäischen Nachbarn in Polen und Tschechien sind Feiertage ohne den Fisch gar undenkbar.

Grätenproblem lässt sich lösen

Doch selbst Gourmets sind sich uneins. Die einen schätzen das nussige Aroma, die anderen bezeichnen den Fisch als fad und langweilig. Und dann wäre da noch die Sache mit dem modrigen, erdigen Geschmack, der nicht von ungefähr kommt. Da die vornehmlich in Teichen gehaltenen Karpfen auf dem Grund ihre Nahrung finden, nehmen sie gelegentlich auch eine Blaualge auf, die das sogenannte Mooseln erzeugt.

Daher werden die Fische in den letzten 14 Tagen vor dem Verzehr in frisches Wasser umgesiedelt, wo sich der schlammige Geschmack verflüchtigen soll. Auch deshalb wollen Fischer und Züchter das schlechte Image so nicht stehen lassen. „Der Karpfen ist ein wunderbarer, gesunder Fisch, die Zuchtteiche sind zudem wertvolle Ökosysteme“, sagt Bernhard Feneis, Präsident des Verbands für Deutsche Binnenfischerei und Aquakultur.

Selbst das Grätenproblem lasse sich lösen, schließlich könnten Endverbraucher inzwischen auch „grätenfreie“ Fische bekommen. Dabei wird das Rückenfilet des Karpfens vor der Zubereitung alle paar Millimeter mit einem scharfen Rundmesser eingeschnitten. Die zahlreichen Fischknöchelchen sollen dann nach dem Garen nicht mehr wahrnehmbar sein – auch ohne, dass der Fleischwolf zum Einsatz kommt.

Stephan Fuhrer / Foto: Angelina Ströbel/pixelio.de