Brötchen schmieren wie im Flug

Wenn im Flugzeug 200 Passagiere in 15 Minuten Essen bekommen sollen, muss alles perfekt vorbereitet sein. Ein Caterer am Flughafen Hannover sorgt dafür, dass das tagtäglich funktioniert.

Der Arbeitsplatz von Sigmar Horstmann ist für einen Koch durchaus ungewöhnlich. Schließlich gleicht seine Küche viel mehr einem Logistikunternehmen als einem Gastronomiebetrieb. Hier in der Langenhagener Niederlassung des weltweit größten Flugzeug-Caterers, der Lufthansa Service Gesellschaft (LSG) Sky Chefs, schieben pausenlos Mitarbeiter Trolleys über die Fliesen, holen fertige Tabletts ab oder bringen neue Ware zum Verarbeiten. An der Laderampe nebenan, direkt hinter dem Zaun zum Rollfeld des Flughafens Hannover, werden in schnellem Takt Lastwagen beladen, die die das Essen dann zu den abflugbereiten Maschinen bringen. Aber vor dem Losfahren müssen die Lieferanten jedes Mal an einem Kontrollhäuschen zwischen Betriebs- und Flughafen stoppen und sich überprüfen lassen. Sicherheit wird großgeschrieben, wenn es ums Fliegen geht – auch bei der Essenslieferung.

Drinnen hütet Schichtleiter Horstmann derweil am Herd seine Töpfe. Die Stimmung in der Küche ist am späten Vormittag entspannt, viele Flugzeuge sind bereits abgefertigt. In der anderen Ecke des riesigen klimatisierten Raumes stehen Küchenhilfen wie in einer Fabrik am Fließband, über das ununterbrochen frische Brötchen zum Belegen herangefahren werden. Ein bisschen erinnert der Anblick an die großen Gepäckbänder gleich nebenan im Flughafengebäude.

Spagat zwischen Mallorca-Urlauber und High Society

Als Fließbandarbeit sieht der 49-jährige Horstmann, der bereits in zahlreichen Küchen verschiedener Länder gearbeitet hat, seine Arbeit aber nicht. Im Gegenteil, die Aufgaben seien für einen Koch „höchst anspruchsvoll“, versichert er. Rund 3500 Mahlzeiten stellen Horstmann und seine rund 75 Kollegen in der zur Expo errichteten Niederlassung täglich her, in Ferien- und Messezeiten auch oftmals mehr. Tag für Tag muss das Team dabei den Spagat zwischen schlichten Sandwiches für Mallorca-Urlauber und einem mehrgängigen Menü für Passagiere von Privatjets schaffen, die am hannoverschen Flughafen starten – und dabei immer auch die nationalen Vorlieben der Kunden im Blick haben.

Das Rezeptrepertoire von Horstmann und seinen drei Koch-Kollegen reicht deshalb einmal rund um den Globus – von der arabischen bis zur japanischen Küche. „Es taucht auf den Bestellzetteln nicht mehr viel auf, was man nicht kennt“, sagt Horstmann. Und wenn dann doch mal ein Scheich unbekannte Spezialitäten aus seiner Heimat wünsche, dann mache man sich im Internet schlau, ergänzt Horstmanns Chef, Niederlassungsleiter Stefan Krauthäuser.

Anordnung und Gewicht müssen stimmen

Für Sonderwünsche suchen die LSG-Mitarbeiter ab und an auch Hannovers Feinkosthändler auf. Das Gros der warmen Gerichte kommt allerdings tiefgekühlt aus der Hauptküche des Unternehmens im rheinhessischen Alzey. In Langenhagen werden die Gerichte in großen Kühlhäusern gehortet. Eine der Hauptaufgaben ist es deshalb, die Tabletts mit frischem Obst, Desserts oder Brötchen zu bestücken. Jede Fluggesellschaft gibt dabei exakt an, wie die fertige Mahlzeit auszusehen hat, Anordnung und Gewicht müssen akribisch eingehalten werden. Die Zusammensetzung ist je nach Tageszeit und Reiseziel des Fluges immer unterschiedlich. „Keine Airline der Welt würde etwa auf die Idee kommen, in Flugzeugen mit dem Reiseziel Türkei Schweinefleisch anzubieten“, erklärt Krauthäuser.

Bei manchen Billigfluglinien sind im Ticketpreis hingegen gar keine Mahlzeiten mehr inbegriffen. Und auch bei LSG-Kunden – in Hannover beliefert das Unternehmen vor allem die Fluggesellschaften Germanwings, TUIfly, Lufthansa und Condor – nimmt der Preisdruck zu. Deshalb sei in den vergangenen Jahren die Menge und Vielfalt der Flugzeugessen deutlich geringer geworden, erklärt Krauthäuser.

Letzte Kontrolle fehlt

Ein kleines bisschen leidet Horstmann dann doch unter den Besonderheiten seines Jobs. „Was einem Koch fehlt, ist der letzte Einfluss auf das Essen, bevor es der Gast serviert bekommt“, sagt er. Ihm bleibt nur die Hoffnung, dass die Flugbegleiter an Bord die vorgegebenen Aufwärmzeiten einhalten. Auch bei der Zubereitung einiger Gerichte sind den Caterern die Hände gebunden. Weil bei den warmen Speisen alles, was die Küche verlässt, zuvor mindestens eine Temperatur von 80 Grad erreicht haben muss, wird selbst zartestes Fleisch durchgebraten. „Der Sicherheitsaspekt“, sagt Horstmann, „ist bei uns eben das Allerwichtigste.“

Stephan Fuhrer (2010) / Foto: © Nico Herzog