Oliven: Eine wie keine

Schwarz, grün, violett, rund, länglich, gefüllt – das Olivenangebot ist riesig. Doch wer sich nicht auskennt, kann leicht danebengreifen.

Wenn es um Oliven geht, ist Fahni Ersoz Patriot. „Die besten Sorten kommen aus der Türkei“, meint der Spezialitätenhändler in der hannoverschen Markthalle, und dann muss er doch ein wenig über das Gesagte schmunzeln.

Der 54-Jährige isst die Früchte mit ihrem unverkennbar kräftigen, leicht bitteren Geschmack gern und beinahe täglich zu allen Mahlzeiten – morgens mit Brot und abends im Salat. „Das ist gesund“, sagt der Händler. In seiner westtürkischen Heimatstadt Bursa hat Ersoz eigene Olivenbäume im Garten. Als Kind habe er die Früchte direkt vom Ast gepflückt und gegessen. „Wenn man die Oliven nicht einlegt, schmecken sie aber sehr bitter.“

21 Sorten aus dem Mittelmeerraum bietet der Feinkosthändler an, darunter auch vier türkische. Seine Oliven sind grün, schwarz, gräulich oder violett, haben runde oder längliche Formen, sind in Öl, mit Kräutern oder Salzwasser angesetzt, sie werden mit Stein verkauft oder mit Mandeln, Knoblauch oder Paprika gefüllt. Die Variationen scheinen endlos: Sorte plus Ansetzverfahren plus Füllung. „Am Ende schmeckt jede Olive anders.“

Der hannoversche Olivenexperte Jürgen Piquardt, ehemals Chef des Restaurants „La Provence“ in Ricklingen, drückt die Vielfalt in Zahlen aus: „Es gibt weltweit etwa 5000 Olivensorten“, erklärt der 72-Jährige, der auf seinem kleinen Hof in der Provence seit Anfang der siebziger Jahre selbst Olivenbäume anbaut. „Zieht man die verschiedenen Behandlungen hinzu, dürften mehr als 100 000 unterschiedlich zubereitete Früchte im Handel sein.“ Um diese gewaltige Auswahl zu begreifen, liege ein Vergleich mit Wein nahe. „Bei beiden gibt es immer wieder etwas neues zu entdecken.“

Experimentierfreude ist gut, doch dem Erzeuger ist es eine Herzensangelegenheit, die Menschen über Fallen beim Kauf der Früchte aufzuklären. Zum Beispiel sei da das Problem mit der Farbe. Nicht die Sorte ist nämlich für die Färbung verantwortlich, sondern der Reifegrad. Schwarze Oliven sind reif, grüne sind es nicht. Dennoch sind sie, richtig eingelegt in einer Salzlauge und je nach Geschmack mit getrockneten Kräutern wie Thymian, Rosmarin oder auch Fenchel angesetzt, ein Leckerbissen. Das Salz entzieht den Oliven mit der Zeit die Bitterkeit.

Zur Vorsicht warnt Piquardt beim Kauf von dunklen Früchten: „Wenn man grüne Oliven mit einer bestimmten Chemikalie ansetzt, werden sie schwarz und ebenfalls als reife Früchte verkauft.“ Dem Industrieprodukt könne man aber leicht auf die Schliche kommen. „Echte reife Oliven sind immer etwas schrumpelig und haben oft auch violette, braune oder graue Töne“, erklärt der Fachmann, den noch ein weiterer Etikettenschwindel stört. Denn vor allem in Supermärkten werden Oliven oftmals mit falschen Angaben zum Herkunftsland angeboten. Da können sich vermeintlich spanische Oliven schon mal als marokkanisch erweisen, weil für die Herkunftsbezeichnung der Ort der Abfüllung ausreicht. „Am besten sollte man seine Früchte deshalb auf den Wochenmärkten kaufen und sich dort bei den Händlern gezielt erkundigen.“

Olivenfreunde dürfte es aber freuen, dass hannoversche Feinkosthändler wie etwa José Cid vom spanischen Feinkostgroßhandel Baixo Minos in Badenstedt gerade jetzt von zunehmenden Absatzzahlen sprechen. Immer mehr Menschen ziehen die nährstoffreichen Früchte – die entgegen landläufiger Meinungen gar nicht so viele Kalorien haben (100 Gramm haben etwa 150 Kilokalorien) – zum abendlichen Rotwein den fettigen Kartoffelchips vor. Cid natürlich auch. „Schließlich bin auch ich zwischen Olivenbäumen aufgewachsen“, sagt er.

Wollte der Spanier in seiner Wahlheimat Hannover die mediterranen Bäume um sich haben, er könnte sie problemlos besorgen. Auch hierzulande bieten viele Gärtnereien und Baumärkte die knöcherigen Pflanzen in Töpfen an. Dass auch Deutschland zu einem klassischen Anbauland wird, glaubt Piquardt nicht. „Dafür sind die Bäume viel zu kälteempfindlich.“ Mit dem nötigen Wissen, viel Liebe und Zuwendung könnten sie auf heimischen Terrassen aber immerhin zur Blüte gebracht werden. „Man muss darauf achten, dass die Bäume keinem Frost ausgesetzt sind, sollte sie immer wieder beschneiden und darf ihnen vor allem nicht zu viel Wasser geben“, rät der Fachmann. Bis der Baum trägt, dauert es allerdings zwischen fünf und zehn Jahren.

Ersoz muss sich um seine Olivenbäume in Bursa hingegen keine Sorgen machen. An der türkischen Westküste ist die Luft salzig, die Temperaturen sind im Winter mild, und der Wind, der von der Küste weht, begünstigt die Fruchtbildung. Und wahrscheinlich schmecken Ersoz seine Oliven gerade deshalb am besten, weil sie immer auch ein bisschen nach der fernen Heimat schmecken.

Stephan Fuhrer

Foto: © Petra Bork  / pixelio.de