Der gewisse Pep

Lange Zeit war Pfeffer einfach Pfeffer – doch seit einigen Jahren wird dem Gewürz mehr Beachtung geschenkt. Über den neuen Kult um den Scharfmacher Nummer eins. 

Ärgerlich! Der Pfeffer ist ausgegangen. Arnt von Bodelschwingh kocht oft und gern. Und er legt Wert auf beste Zutaten. Das gilt natürlich auch für Pfeffer – neben Salz die wohl wichtigste Würze in deutschen Küchen. Nur: Woher bekommt er auf die Schnelle einen Guten her? Das Pulverzeug aus dem Supermarkt, jahrzehntelang ein scheinbar alternativloses Produkt, will von Bodelschwingh nicht. Da gibt es doch Besseres. Er beginnt zu recherchieren – und hat schon bald eine Idee.

Neun Jahre später. Arnt von Bodelschwingh und Olga Taranczewski sitzen in einem kleinen Büro in Berlin-Charlottenburg und schnüren Pakete für den Postversand. An gutem Pfeffer herrscht längst kein Mangel mehr. Die Regale an den Wänden um die beiden Gründer des „Pfefferkontors“ herum sind voll von silbernen Blechdosen mit verschiedenen hochwertigen Sorten aus aller Welt: „Weißer Bergland-Pfeffer“ oder „Grüner Urwald-Pfeffer“ ist auf hübsch gestalteten Etiketten zu lesen. Und es kommen immer wieder neue Produkte dazu. Von Bodelschwinghs Recherche nach der richtigen Würze dauert bis heute an. Der Laden brummt. Die Nachfrage nach dem hochwertigen Gewürz sei in den vergangenen Jahren stark angestiegen, erzählen beide.

Keimfrei durch radioaktive Bestrahlung

Das liebste Gewürz der Deutschen ist Pfeffer ohnehin schon lange. 2014 kamen laut Fachverband der Gewürzindustrie rund 23510 Tonnen Pfeffer ins Land, der größte Teil davon aus Brasilien und Vietnam. Das entspricht 291 Gramm pro Kopf. Doch ein Großteil der Ware kommt nicht in der besten Qualität zu uns. „Deshalb gibt es noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten“, sagt Taranczewski.

Vor allem der in großen Mengen verarbeitete, pulverisierte Scharfmacher ist den beiden Händlern vom „Pfefferkontor“ ein Dorn im Auge. Wo genau der Pfeffer herkommt, lässt sich kaum nachvollziehen. Und über die oftmals miserablen Produktionsbedingungen der Arbeiter vor Ort erfährt man sowieso nur wenig. Beides ist von Bodelschwingh und Taranczewski wichtig. Dass der Industriepfeffer oft sogar durch radioaktive Bestrahlung keimfrei gemacht werde, störe offenbar die wenigsten, meinen die Gewürzhändler. Vom fehlenden Geschmack ganz abgesehen. „Frisch gemahlen oder gemörsert, nur so kommen die verschiedenen Aromen zur Geltung“, sagt Taranczewski. Pfeffer – das sei schließlich ein edles Gewürz und kein bloßer Scharfmacher.

Medizin der Pfeffersäcke

Kochen ohne Pfeffer – das ist heute undenkbar. Doch das war nicht immer so. Jahrhunderte lang wurden die Früchte der gleichnamigen Kletterpflanze, die sich wie Efeu strangweise an Bäumen in die Höhe hangelt, teuer gehandelt. In hölzernen Nussschalen schipperten Entdecker wie Marco Polo um die Welt, um einen Seeweg nach Indien zu finden, wo das Gewürz ursprünglich herkommt. Von „Pfeffersäcken“ war in der Zeit der Hanse die Rede, wenn es ein Kaufmann mit dem edlen Gut zu Reichtum gebracht hatte. Bis spät ins Mittelalter galt es allerdings mehr als Medizin denn als Würze. Und tatsächlich: Wissenschaftler konnten nachweisen, dass das enthaltene Piperin dem Pfeffer nicht nur seine Schärfe gibt, sondern auch stoffwechselanregend und antibakteriell wirkt. Noch nach dem Zweiten Weltkrieg war er begehrte Tauschware, wurde in den Wirtschaftswunderjahren dann aber schnell zum Alltagsartikel – und in Pulverform schließlich zum Sinnbild einer fantasielosen Gewürzeinbahnstraße in deutschen Küchen.

Grüner, schwarzer, roter, weißer Pfeffer, Kubebenpfeffer, langer Pfeffer – inzwischen wird auch hierzulande mit vielerlei hochwertigen Sorten gewürzt. Nur: welcher Pfeffer kommt eigentlich an welches Gericht? Und in welcher Form? „Eine pauschale Antwort darauf gibt es nicht“, sagt Ingo Holland, ehemals Sternekoch in Klingenberg am Main und mittlerweile im selben Ort Händler aus Passion im „Alten Gewürzamt“. Doch wenn man wisse, welche Sorte welche Eigenschaften habe, könne man den Pfeffer besser einsetzen. Richtig pfeffern – das heißt auch experimentieren.

Reife gleich Schärfe

Prinzipiell gilt: Je reifer die Körner geerntet werden, desto schärfer sind sie. Grüner, also unreif geernteter Pfeffer, ist vergleichsweise mild und würzt mit einer Vielzahl von leichten Aromen. Schwarzer, der fermentiert wird, schmeckt da schon reifer und kräftiger. Der 57-jährige Koch verwendet ihn deshalb am liebsten bei dunklerem, blutigem Fleisch vom Wild oder Rind. Der reif gepflückte gelblich-rote Pfeffer besticht durch scharfe, aber auch fruchtige Aromen, die sich allerdings beim Zerreiben in der Mühle schnell verflüchtigen. „Ich zerstoße die Körner lieber kurz und grob im Mörser und gebe sie dann vor dem Servieren über den Fisch oder den Rehrücken“, erzählt Holland. Nicht jedermanns Geschmack ist weißer Pfeffer, der im Grunde geschälter roter ist. „Er riecht ein bisschen nach Pferdestall, doch ich schätze ihn sehr, weil man weißen Pfeffer sehr flexibel verwenden kann“, sagt der Koch.

Wann genau man das Gewürz über die Speisen in Pfannen und Töpfe streut, sei ebenfalls Ansichtssache, sagt Holland. Er selbst würzt Steaks etwa vor dem Braten, damit alles gut einziehen kann und die Röststoffe der Gewürze zu Geltung kommen. Heiß darf die Pfanne sein, aber nicht zu heiß. Sonst verbrennt der Pfeffer. „Man muss ein Gefühl dafür entwickeln“, erklärt der Koch.

Griffbereit neben dem Herd sollte die Pfeffermühle allerdings nicht stehen. Das Gewürz muss trocken und dunkel gelagert werden. „Licht schadet ihm am meisten“, betont „Pfefferkontor“-Händlerin Taranczewski. Verderben können die getrockneten Pfefferkörner nicht, nur der Geschmack lässt mit der Zeit nach. Statt einen zu großen Vorrat anzulegen, empfiehlt es sich deshalb, den Pfeffer besser immer wieder frisch einzukaufen. Das Schöne dabei: Es gibt ständig Neues zu entdecken. „Es schlummern noch viele Pfefferschätze in dieser Welt, die wir erst noch finden müssen“, sagt Holland. Auch Arnt von Bodelschwingh will weitersuchen. Von gutem Pfeffer kann man nie genug haben.

Stephan Fuhrer / Foto: ©  iravgustin / shutterstock.com