Algen sind in Asien eine Delikatesse, auch in Europa kommen sie immer öfter auf den Tisch. Sie sind gesund, wachsen schnell – und manche schmecken sogar nach Bacon.
In der Geschichte der Menschheit hat der Zufall schon immer eine wichtige Rolle gespielt. Issac Newton erkannte die Gravitationskraft, als er unter einem Apfelbaum lag und eine Frucht herunterfiel. Das Penicillin wurde entdeckt, weil der Arzt Alexander Fleming vor einer Reise vergessen hatte, ein Laborglas mit Erregern zu schließen. Und was ist dem Meeresbiologen Chris Langdon zufällig passiert? Er warf die Rotalgen, die er eigentlich als Futter für eine vom Aussterben bedrohte Meeresschneckenart gezüchtet hatte, einfach mal in die Pfanne. Das erstaunliche Ergebnis: Das Meeresgemüse schmeckte nach Frühstücksspeck. Schwein gehabt!
Sicher, die Entdeckung des US-Forschers hat wohl nicht diese weitreichenden Folgen wie die Newtons oder Flemings. Aber wer weiß: Vielleicht steht sie ja am Anfang einer weitreichenden Revolution unserer Ernährung. Schließlich werden Lebensmittel weltweit immer knapper, während die Bevölkerung stetig wächst. Warum sollte man also nicht auf etwas setzen, das auf engstem Raum und innerhalb kürzester Zeit mithilfe von einfachem Wasser und Sonnenlicht wächst?
Europa kommt auf den Geschmack
Zumal Algen gar nicht so übel schmecken. In einigen Regionen Asiens gelten sie schon lange als Delikatesse. Auch in Europa kommen viele Menschen langsam auf den Geschmack. Und wenn das schleimige Gewächs dann auch noch das Zeug zum Speckersatz hat, dann dürfte das mit Sicherheit auch so manchen ethisch-geleiteten Fleischverweigerer freuen.
Dabei muss es gar nicht immer Sushi sein, der japanische Klassiker, bei dem die Zutaten gerne mit einem Nori-Blatt, einer Rotalgenart, zusammengehalten werden. An Deutschlands Küsten werden Braunalgen immer beliebter, die sich in kochendem Wasser leuchtend grün verfärben. Die Konsistenz ist danach weder gummiartig noch schleimig, sondern fein und zart. Das freut die Köche auf Sylt oder Rügen gleichermaßen: Endlich mal wieder was Neues, das dann auch noch quasi vor der eigenen Restauranttür wächst.
Algenrouladen und Meeresgemüsepasts
In einigen Häusern werden die Wasserpflanzen Salaten beigemischt oder als Beilage zum Fischteller gereicht. Doch der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Ob als Kohlersatz mit Hackfleisch gefüllt – quasi eine Art Algenroulade – oder als Spaghetti mit Meeresgemüse: Das salzig schmeckende Grünzeug, das immer häufiger auch im normalen Handel erhältlich ist, sorgt beim Gast für den Überraschungseffekt. Dabei sind Algen in unserer Nahrung eigentlich schon lange alltäglich. Das daraus gewonnene Carrageen bindet und verdickt zahlreiche Joghurts, Eiscremes oder Marmeladen. Auf Lebensmittelverpackungen finden wir es mit der Kennzeichnung E 407.
Wenn es nach dem Willen einiger Ernährungswissenschaftler geht, sollten Algen sowieso häufiger auf dem Teller landen. Denn die Pflanzen haben eben nicht nur den Vorteil, dass sie schnell heranwachsen. Sie punkten auch mit ihren Inhaltsstoffen. Das Meeresgemüse besitzt einen hohen Anteil an Algen-spezifischen Proteinen und Kohlenhydraten. Und weil unsere Körperdiese nur bedingt direkt aufnehmen können, gilt es als besonders kalorienarm. Dazu enthalten die Pflanzen jede Menge Mineralien, Vitamine und Spurenelemente. Allerdings kann uns der hohe Jodgehalt zu schaffen machen. Menschen, die an Schilddrüsenüberfunktion leiden, sollten Algen deshalb generell meiden.
Labbriger Speckgenuss
Doch auch dafür gibt es eine Lösung. In Zuchtbetrieben wie der Sylter Algenfarm hierzulande oder der Anlage von Forscher Langdon im US-Bundesstaat Oregon kann der Jodgehalt der Pflanzen anders als im Meer verkleinert werden. Weitere Probleme aber bleiben. Bei Geschmacktests der Speckalge „Dulse“ zeigten sich zwar viele Probanden überrascht von dem offensichtlichen Bacon-Aroma, doch missfiel den meisten auch die etwas labbrige Konsistenz. Doch mit der Zeit werden experimentierfreudige Köche sicher eine Form finden, in der das Meeresgemüse dann wie sein schweinisches Pendant ordentlich knuspert. Und wer weiß: Vielleicht wird ja auch da wieder ein bisschen der Zufall mithelfen.
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